Psychopharmaka: Die unbewiesene Medizin
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Psychopharmaka: Die unbewiesene Medizin
von 5820 am 02.06.2010 11:11Alternative Medizin ist immer wieder scharfen Anschuldigungen durch Verfechter der Schulmediziner ausgesetzt: Ihre Wirkung sei nicht bewiesen, alles nur Aberglaube und Betrug. Das allerdings gilt vielmehr für viele Medikamente in der Schulmedizin - vor allem Psychopharmaka.
Evidenzbasierte Medizin?
Evidenzbasierte Medizin - Medizin auf Basis von überprüfbaren Beweisen, das ist es, was die Pharmakonzerne für sich in Anspruch nehmen. Schließlich ist es schwer genug, eine Zulassung für ein Medikament zu bekommen, muss es sich doch zunächst in zahllosen aufwändigen Studien bewähren. Ein Medikament, was das schafft, wirkt ganz sicher, so möchte man meinen. Was aber, wenn diese Studien vor allem eine finanzielle Hürde sind, um Mitbewerber auszuschalten und über die Wirksamkeit weit weniger aussagen, als wir denken?
Randomisierte kontrollierte Studien kosten häufig mehrere Millionen Euro - und werden deshalb zu 80% von der Pharmaindustrie gesponsert. Deren Interessen liegen auf der Hand: Nichtpharmakologische und billige Therapien sind am Markt nicht erwünscht. Viele Erfolg versprechende Therapien werden daher nur schlecht oder sogar nie überprüft und schaffen es trotz hoher Wirksamkeit niemals auf den großen Markt - für immer der Anschuldigung ausgesetzt, die Wirksamkeit sei ja nicht bewiesen. Viele Wissenschaftler und Patientenorganisationen auf der ganzen Welt fordern deshalb schon lange ein neutrales Budget für eine freie Forschung, die unabhängig ist von den kommerziellen Interessen der Pharmaindustrie.
Wie sehr sich diese Interessen auswirken, wird immer wieder in Meta-Studien klar:
Psychopharmaka - Nicht besser als Placebos?
Heiß umkämpft sind die Psychopharmaka - ein Milliardenmarkt, der sich gegen immer mehr Selbsthilfe-Seminare und Therapieangebote durchsetzten muss. Für Furore sorgte Anfang des Jahres eine amerikanische Meta-Studie, die nachwies, dass die häufigsten Antidepressiva in den meisten Fällen nicht besser Wirken als ein Placebo - eine Schlagzeile die erstaunlicherweise bis in die Newsweek schaffte.
Passend zur Debatte erschien das Buch "Anatomy of an Epidemic" von Robert Whitaker - die erste umfassende Meta-Analyse der Langzeit-Wirkungen von Psychopharmaka. Der Autor kommt darin zu Schlüssen, die der Industrie nicht schmecken werden: Schizophrenie-Patienten beispielweise geht es offenbar viel besser ohne Medikamente als mit, und ADHS-Medikamente haben nicht nur keine erwiesene Wirkung, sondern scheinen später auch zu biopolaren Störungen zu führen. Und dergleichen Beispiele gibt es viele.
Whitakers Motivation zu diesem schwierigen Buch ergab sich aus einer einfachen Beobachtung:
so der Autor im Interview mit Salon
Die erfundene Pandemie
Seine Ergebnisse zeigen, dass sich alles im Gegenteil sogar noch drastich verschlimmert hat - und dass die Pharmakonzerne dies auch wissen. Aber der Markt ist zu lukrativ, um aufgegeben zu werden. Ein Markt, der laut Whitaker von der Pharmaindustrie und den zugehörigen Psychiatern überhaupt erst erfunden wurde, als die Psychotherapie in den 1970ern immer mehr Verbreitung fand.
Das soll nicht heißen, dass Psychopharmaka keine Wirkungen haben. Antidepressiva haben bei schweren Depressionen nachweislich Wirkung - ob sie allerdings helfen, ist eine ganz andere Frage. Whitaker zeichnet in seinem Buch nach, dass Menschen, die ihre Depressionen nicht medikamentös behandeln, zumeist gesunden, während jene, die Antidepressiva nehmen, zwar kurzfristig Linderung durch das Medikament erfahren, dafür aber oft ihr Leben lang chronische Depressionen haben.
Ein weiterer Schachzug für die Verbreitung der Medikamente bestand darin, ganz gewöhnliche Charakterschwächen zu medikamentierbaren Krankheiten zu erklären. Zahlreiche Krankheiten wurden regelrecht erfunden, damit man Medikamente dagegen entwickeln konnte.
Die Erfindung neuer Krankheiten hört nicht auf und ist heute auf einem Stand angekommen, der Besorgniserregend ist: Es scheint langsam, als ob jede Äußerung von Emotionen, Unzufriedenheit oder stark individuellem Verhalten eine psychische Störung ist.
Langzeitschäden
Tatsächlich, so meint Whitaker, sind Psychopharmaka nichts anderes als Drogen: eine kurzzeitige Verbesserung auf Kosten schwerer langfristiger Schäden.
Die derzeitige "Pandemie" an psychischen Störungen ist laut Whitaker also einerseits darauf zurückzuführen, dass einfach fast alles mittlerweile eine solche ist. Andererseits zeigt sich aber auch ein tatsächlicher Anstieg von Fällen, die aufgrund von psychischen Erkrankungen unfähig sind, ihrem gewöhnlichen Leben nachzugehen. Einer von 50 Amerikanern gilt mittlerweile als psychisch krank - vor dem Einsatz von Psychopharmaka war es gerademal einer von 300. Auch in Deutschland steigt die Zahl seelischer Erkrankungen permanent. Und dieser Anstieg passiert nicht trotz, sondern wegen der Medikamente, meint Whitaker:
Mythos "Chemisches Ungleichgewicht"
Die Theorie der Psychopharmaka lautet, dass psychische Krankheiten auf ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn zurückzuführen sind und daher auch chemisch zu behandeln sind. Schizophrenie, so heißt es dort, sein ein Dopamin-Überschuss - behandelbar durch Dopamin-Blocker, Depression sei hingegen eine Serotonin-Unterversorgung, der ebenfalls chemisch beizukommen sei. Das jedoch, meint Whitaker, stellt sich mehr und mehr als ein Mythos heraus.
Und hier liegt das eigentliche Problem. Studien konnten zeigen, dass das Gehirn sich an die Medikamente in einer Weise anpasst, die das angebliche Problem überhaupt erst erzeugen. Bekommt ein Patient Dopamin-Blocker, reagiert das Gehirn darauf mit der Produktion von Dopamin und der Bildung von mehr Dopamin-Rezeptoren, um den Normalzustand wieder herzustellen. Bei depressiven Patienten, bei denen der Serotonin-Level künstlich angehoben wird, setzt das Gehirn folgerichtig mit der Produktion von Serotonin aus und bildet die entsprechenden Rezeptoren zurück. So erzeugt die Droge genau den Zustand, den sie angeblich bekämpfen soll.
Und nicht nur das chemische Gleichgewicht ändert sich, selbst die Physiologie des Hirns ändert sich in einigen Fällen dramatisch durch die Medikamente und erschafft einen chronisch kranken Menschen, mit exakt den Symptomen, die er zu heilen versucht.
Eine alarmierende Erkenntnis in einer Zeit, in der immer mehr Kinder von jüngstem Alter mit Psychopharmaka behandelt werden - lebenslange Kunden für eine unbewiesene Medizin.
Quelle